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Der fahrlässige BTM-Handel

Folgendes Szenario zum Einstieg: Ein Händler verkauft über eine lange Zeit hinweg legale Produkte im Internet – zumindest denkt er das. Denn mit der Zeit stellt sich heraus, dass seine verkauften Produkte entgegen seinen Vorstellungen gar nicht legal sind. Sie enthalten nach dem BtMG verbotene Substanzen, so dass der Handel mit diesen unter Strafe steht. Dabei habe er nach eigener Auffassung sorgfältig recherchiert. Dennoch steht der Vorwurf des fahrlässigen Handels mit Betäubungsmitteln nach §29 Abs. 4 BtMG im Raum. 

„Fahrlässiger Handel“ – Was bedeutet das überhaupt?

Fahrlässig handelt nach Auffassung des BGH „wer objektive Pflichtwidrigkeit begeht, sofern er diese nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vermeiden konnte, und wenn gerade die Pflichtwidrigkeit objektiv und subjektiv vorhersehbar den Erfolg gezeitigt hat“. Das heißt, der Täter handelt gerade nicht vorsätzlich mit Wissen und Wollen, ihm kann jedoch die Verletzung einer einzuhaltenden Sorgfaltspflicht vorgeworfen werden.

Somit stellt sich die Frage, wie die Fahrlässigkeit in solchen wie dem oben genannten Beispielsfall und ähnlich gelagerten Fällen des fahrlässigen Handels mit Betäubungsmitteln zu bestimmen ist. Welche Sorgfaltspflichten gilt es einzuhalten?

Dazu äußerte sich bereits 2017 der Bundesgerichtshof und stellte fest:

„Fahrlässig i.S.v. § 29 Abs. 4 BtMG treibt derjenige mit Betäubungsmitteln Handel, der bei fehlendem Vorsatz hinsichtlich der Betäubungsmitteleigenschaft eines Stoffs oder einer Zubereitung eine auf solche Objekte bezogene, eigennützige und auf Umsatz gerichtete Tätigkeit entfaltet, obwohl er nach den konkreten Umständen des Einzelfalls bei sorgfältigem Verhalten die Betäubungsmitteleigenschaft hätte erkennen können.“

Welche die darauf bezogenen einzuhaltenden Sorgfaltspflichten sind, bestimme sich anhand der Vorsehbarkeit des Umstands im Einzelfall, überhaupt mit Betäubungsmitteln zu handeln.

Urteil des BGH (1 StR 64/17)

Das Einstiegsbeispiel beruht auf eben jener Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2017 (1 StR 64/17). 

In dem konkreten Fall ging es um einen Verkäufer von Kräutermischungen im Internet. Nach seinen Vorstellungen enthielten diese Mischungen nur solche synthetischen Cannabinoide, die nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen. Um sich der Legalität seines Handels sicher zu sein, bezog er die Stoffe stets vom gleichen Lieferanten und überprüfte zudem wöchentlich, ob die enthaltenen Stoffe weiterhin legal waren. Sobald ein Stoff in das BtMG aufgenommen wurde, nahm er diesen umgehend aus seinem Sortiment. Dennoch unterlief ihm innerhalb seiner Recherchen wohl ein schwerwiegender Fehler, denn die von ihm verkauften Kräutermischungen enthielten nicht nur das zum Zeitpunkt des Verkaufs legale Cannabinoid MDMB-CHMINACA – sondern auch die Wirkstoffe AB- CHMINACA und 5F-AB-PINACA. Diese Stoffe gelten beide als Betäubungsmittel im Sinne von §1 Abs. 1 BtMG.

Verfahrensgang und die Feststellungen des BGH

Das Landgericht Heilbronn sprach den Angeklagten in seinem Urteil vom 15. Juni 2016 jedoch vom Vorwurf des fahrlässigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln frei. Begründend dafür, führte es aus, dass der Mann weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt habe. Die Staatsanwaltschaft legte daraufhin Revision gegen den Freispruch ein, so dass der Fall vor dem Bundesgerichtshof landete. Dies führte zur Leitsatzentscheidung des BGH vom 20. September 2017.

Der 1. Strafsenat des BGH bestätigte in seiner Entscheidung den Freispruch des Landgerichts und führte dazu Folgendes aus.

Bezüglich des vorsätzlichen Handeltreibens sei zu beachten, dass hier wenigstens ein bedingter Vorsatz des Täters vorausgesetzt wird. An diesem mangelt es jedoch, soweit der Täter von der Möglichkeit, dass das Objekt des Handeltreibens – im vorliegenden Fall die Kräutermischungen, ein Betäubungsmittel im Sinne des BtMG, keine Kenntnis hat. Die Unkenntnis über die Betäubungsmitteleigenschaft schließt einen darauf bezogenen Vorsatz aus. Denn Vorsatz ist – wie oben bereits kurz ausgeführt – der Wille zur Verwirklichung des Straftatbestands in Kenntnis aller objektiven Merkmale. Fehlt dem Handelnden jedoch diese Kenntnis, so scheitert es am Wissenselement des Vorsatzes und dieser scheidet nach §16 Abs. 1 S. 1 StGB aus.

In Konstellationen des bedingt vorsätzlichen Handeltreibens verlangt das Wissenselement des bedingten Vorsatzes, dass sich der Täter zumindest mit der erkannten Möglichkeit, mit einem Betäubungsmittel zu handeln, abfindet. 

Selbst dieser bedingte Vorsatz sei dem Angeklagten im konkreten Fall jedoch nicht vorwerfbar. Der Händler habe zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit erkannt, dass er möglicherweise mit Betäubungsmitteln handelt.

Jedoch lehnt der BGH auch ein fahrlässiges Handeltreibens ab. Wie bereits oben dargestellt, hat der BGH zu diesem Urteil einen Leitsatz entwickelt, nachdem sich der Fahrlässigkeitsmaßstab am erkennbaren Risiko orientieren soll, möglicherweise eine Straftat zu begehen. Legt man diesen Maßstab zugrunde, so habe der Angeklagte in diesem konkreten Einzelfall nicht schon deswegen eine Sorgfaltspflicht verletzt, weil er die synthetischen Cannabinoide nicht umfassend untersucht hat. Er sei nicht dazu verpflichtet gewesen, diese vor ihrer Verwendung zur Herstellung der Kräutermischungen, sowie vor dem Vertrieb auf ihre chemische Zusammensetzung analysieren zu lassen. Zwar kann sich eine solche Pflicht zur Durchführung von Kontrolluntersuchungen ergeben, jedoch ergibt sich diese wohl nur, wenn für den Betroffenen auch ein erkennbarer Anlass besteht, dass er überhaupt mit Betäubungsmitteln im strafrechtlichen Sinne handelt. Für den Händler im Fall bestand dieser folglich nicht, wobei dieser sich nicht einmal der Möglichkeit bewusst war, dass die von ihm verkauften Kräutermischungen überhaupt verbotene Substanzen enthalten. Er durfte darauf vertrauen, dass er lediglich die von ihm bestellten und zum Tatzeitpunkt nicht als Betäubungsmittel erfassten Cannabinoide von seinem Lieferanten erhielt und verwendete. Allein der Handel mit diesen vom BtMG nicht erfassten Cannabinoiden begründe noch keine allgemeine Pflicht zur chemischen Analyse.

Etwas anderes könne man nur annehmen, soweit beispielsweise die Vermutung besteht, dass die Bezugsquelle der Cannabinoide unzuverlässig sei. Nimmt der Händler dann trotzdem keine Untersuchung seiner Ware vor, so könnte man darin schon eine Sorgfaltspflichtverletzung sehen, so dass diese die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit begründen könne. Für eine Unzuverlässigkeit des Lieferanten gab es im konkreten Fall jedoch keine Anhaltspunkte.

Der Angeklagte habe somit weder vorsätzlich, noch vorsätzlich Handel mit Betäubungsmitteln betrieben. Ein Freispruch in dieser Sache erscheint mithin als die richtige Entscheidung.

Quellen: rechtslupe.de, juris.bundesgerichtshof.de, community.beck.de, rechtsprechung-im-internet.de

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Strafverteidiger Nikolai Odebralski ist seit 2010 Rechtsanwalt in Essen

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