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BGH: Fehlvorstellung des Gehilfen über die vom Haupttäter gehandelte Substanz

Sachverhalt 

Rund 200 Kilo Methamphetamine versteckte ein anderweitig verfolgter Haupttäter in einer Hydraulikpresse und führte das Amphetamin so aus den Niederlanden nach Deutschland ein. In Deutschland angekommen sollten die Betäubungsmittel im Sinne des BtMG dann aus der Presse geholt und dann zum gewinnbringenden Verkauf weitertransportiert werden. Der Gehilfe G erklärte sich bereit, einen Stellplatz für die Maschine auf dem Gelände seines Arbeitgebers zu organisieren. Dabei ging er jedoch fälschlicherweise davon aus, dass es sich bei der versteckten Substanz um Cannabis handele. Von Methamphetaminen sei keine Rede gewesen.

Das Landgericht Heilbronn verurteilte G deshalb wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. 

Problem 

Das am 01.04.2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz stellt auch die obergerichtliche Rechtsprechung vor neue Herausforderungen. Immer wieder geht es um Verurteilungen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, bei denen im Rahmen der Revision in Frage steht, wie sich eine Gesetzesänderung zwischen Tatbegehung und letztinstanzlicher Entscheidung auswirkt. Dabei geht es insbesondere um Fragen des §2 StGB sowie um das Verhältnis der beiden Gesetze. 

Die Grundsätze des §2 StGB 

Grundsätzlich bestimmt sich nach §2 I StGB die Strafbarkeit nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt/galt. Gemäß §8 StGB kommt es dabei auf den Zeitpunkt der Handlung, nicht den des Erfolgseintritts an. Bei der Teilnahme kommt es, wie auch bei §8 StGB, auf den Zeitpunkt der Teilnahmehandlung an. Besonders bedeutend ist die Meistbegünstigungsklausel des §2 III StGB. Hiernach ist bei täterbegünstigenden materiellen Gesetzesänderungen zwischen Beendigung der Tat und der Entscheidung das jeweils mildeste Gesetz anzuwenden, das zwischen der Tat und der Entscheidung gilt oder gegolten hat. Die Frage nach dem milderen Gesetz, ist anhand eines Gesamtvergleichs zwischen dem früheren und dem derzeit geltenden Gesetz zu beurteilen. 

Lösung des BGH 

Ausgehend von der Feststellung, dass das Verhalten des G nach neuer Rechtslage zu beurteilen wäre, geht der Senat für die Strafbarkeit von Folgendem aus:

,,Zwischen den Straftatbeständen des Konsumcannabisgesetzes und denen des Betäubungsmittelgesetz besteht eine tatbestandliche Verwandtschaft dergestalt, dass eine Fehlvorstellung des Gehilfen über die Substanz, deren Umgangs wegen sich der Haupttäter strafbar macht, nicht zum Entfallen des Gehilfenvorsatzes führt.’’ 

Weiter führt der Senat aus: 

,,Eine Strafbarkeit wegen Behilfe (§27 StGB) setzt auf subjektiver Seite einen sogenannten ,,doppelten Gehilfenvorsatz“ voraus. Dieser muss die Unterstützungshandlung umfassen und sich auf die Vollendung einer vorsätzlich begangenen Haupttat richten, wobei es genügt, dass der Gehilfe die wesentlichen Merkmale der Haupttat erkennt. Diese gegenüber dem Anstifter geringeren Anforderungen an die Konkretisierung des Vorstellungsbildes des Gehilfen folgen schon daraus, dass dieser nicht eine bestimmte Tat anstreben muss. Er erbringt vielmehr einen losgelösten Beitrag, von dem er lediglich erkennen und billigend in Kauf nehmen muss, dass dieser Beitrag sich als unterstützender Bestandteil in einer Straftat manifestieren wird. Daraus erschließt sich, dass auch eine andere rechtliche Einordnung der Tat durch den Gehilfen dessen Vorsatz unberührt lässt, solange er sich nicht eine grundsätzlich andere Tat vorstellt. Zwischen vorgestellter und tatsächlich begangener Tat muss mithin eine tatbestandliche Verwandtschaft bestehen.“

Eine solche tatbestandliche Verwandtschaft sei laut BGH gegeben. Denn trotz dessen, dass sich der Gesetzgeber bewusst dazu entschieden hat, Cannabis einem anderen Regelungswerk zu unterstellen, ergibt sich schon aus der Gesetzesbegründung, dass der Normgeber weiterhin davon ausgeht, dass der Konsum von Cannabis grundsätzlich gefährlich ist, weshalb das Konsumcannabisgesetz, ebenso wie das Betäubungsmittelgesetz ein allgemeines und umfassendes Umgangsverbot normiert. Auch hat sich der Gesetzgeber bewusst an die Begrifflichkeiten des BtMG angelehnt. 

Zurück zum Sachverhalt 

Der Senat hat den Schuldspruch analog §354 Abs.1 StPO dahingehend geändert, dass der G der Behilfe zum Handeltreiben mit Cannabis schuldig ist. Obwohl G objektiv den Handel mit Methamphetaminen förderte, sei er auf Grundlage der neuen Rechtslage wegen Behilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln strafbar, weil er dachte, er unterstütze den Handel mit Marihuana. 

Quelle: BGH, Beschl. v. 29.10.2024 – 1 StR 382/24, NJW-Spezial 2025,25 

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Nikolai Odebralski
Strafverteidiger Nikolai Odebralski ist seit 2010 Rechtsanwalt in Essen

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