Die ,,Abgabe’’ von Cannabis ist wie in §29 Abs.1 S.1 Nr.1 BtMG die Übertragung der eigenen tatsächlichen Verfügungsgewalt ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung an einen Dritten, der über das Betäubungsmittel frei verfügen kann. Vollendet ist die Abgabe erst mit dem Übergang der tatsächlichen Verfügungsgewalt; die Vollendung setzt damit – wie die Veräußerung und das Inverkehrbringen – einen Besitzwechsel voraus.
Der konkrete Fall
Der Angeklagte A soll in zwei Fällen jeweils ein mit einer 50-Cent-Münze beschwertes Päckchen mit 8,65g Haschisch und 2,7g Marihuana bzw. mit 5,9g Haschisch und 0,1g Marihuana über die Mauer einer JVA in den dortigen Innenhof geworfen haben, wo es ein Insasse der JVA aufsammeln und zum Eigenkonsum verwenden sollte. Die Päckchen wurden jedoch von Bediensteten gefunden und sichergestellt. Das Amtsgericht hat den A wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt. Auf die Berufungen des A und der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht den Schuldspruch dahingehend geändert, dass der A der unerlaubten Abgabe von Cannabis in zwei Fällen schuldig ist. Außerdem wurde eine weitere Verurteilung einbezogen. Hiergegen richtet sich die Revision des A.
Die Entscheidung
Die Nachprüfung des Urteils habe im Ergebnis keine schwerwiegenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Allerdings bedarf der Schuldspruch der Korrektur.
Zur ,,Abgabe’’ von Cannabis i.S.v §34 Abs.1 Nr.7 KCanG
Die Tathandlungen des Konsumcannabisgesetzes habe der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt. Demnach sei ,,Abgabe’’ die Übertragung der eigenen tatsächlichen Verfügungsgewalt ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung an einen Dritten, der über das Betäubungsmittel frei verfügen kann. Vollendet sei die Abgabe erst mit dem Übergang der tatsächlichen Verfügungsgewalt. Wie die Veräußerung und das Inverkehrbringen setzte die Vollendung einen Besitzwechsel voraus. Mithin kann eine ,,Abgabe’’ nur vorliegen, wenn der Altbesitzer einen ihm bekannten Empfänger zur freien Verfügung übergibt, das heißt eine sachenrechtliche Übertragung des Besitzrechts stattfindet. Die Übertragung setzt lediglich eine sachenrechtliche Einigung des Vorbesitzers mit dem unmittelbaren Besitznachfolger über den Besitzübergang und die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt voraus. Indem es an einem solchen Übertragungsakt fehlt, kann auch keine Vollendung der Tathandlung festgestellt werden.
Zurück zum Sachverhalt
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Tatbestand der Abgabe von Cannabis auf der Grundlage der Feststellungen nicht erfüllt. Da der unbekannte Insasse die Verfügungsgewalt über die Päckchen mit Cannabisprodukten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erlangt hat, kommt eine Verurteilung wegen vollendeter Abgabe von Cannabis nicht in Betracht. Allerdings habe sich der Angeklagte wegen versuchter Abgabe von Cannabis strafbar gemacht. Er hätte die eigenen Verfügungsgewalt über das Cannabis bereits aufgegeben und aus seiner Sicht alles Notwendige getan, um dem unbekannten Dritten den Besitz hieran zu verschaffen.
Der Strafausspruch kann trotz der Schuldspruchänderung bestehen bleiben. Angesichts dessen, dass sich aufgrund der fakultativen Strafmilderung nach §§23 Abs.2, 49 Abs.1 Nr.2 StGB lediglich die Strafobergrenze verschiebt, sich die beiden Einzelstrafen mit 4 Monaten im unteren Bereich des Strafrahmens bewegen und, dass das Landgericht bei der Strafzumessung bereits berücksichtigt hatte, dass der Empfänger das Cannabis nicht erhalten hat, vermag der Senat auszuschließen, dass die beiden Einzelstrafe bei einer Verurteilung wegen Versuchs geringer ausgefallen wären.
Quelle: BayOBLG, Beschl. v. 8.10.2024 – 206 StRR 328/24