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Die „nicht geringe Menge“ im BtMG – Bestimmung und Bedeutung

In §29a Abs. 1 Nr. 2 heißt es: „Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach §3 Abs. 1 (Erlaubnis zum Verkehr mit Betäubungsmitteln) erlangt zu haben.“

Es bedarf daher einer Bestimmung der beschriebenen „nicht geringen Menge“. Die Rechtsprechung legt zu diesem Zweck genaue Mengengrenzen für die verschiedenen Arten von Drogen fest, um diese zu bestimmen. Vor allem aus dem ständigen Auftauchen neuer Substanzen auf dem Drogenmarkt, insbesondere synthetischer Cannabinoide, resultiert eine hohe Dynamik in diesem Bereich. 

Ein Blick in die Vergangenheit  

Ein Blick in die Vergangenheit verdeutlicht noch einmal die ständige Weiterentwicklung in diesem Bereich des Strafrechts. 1972 wurde der Begriff der „nicht geringen Menge“ als Regelbeispiel in das Betäubungsmittelgesetz aufgenommen. Anfangs unterschied die Rechtsprechung lediglich zwischen der „nicht geringen Menge“, der „geringen Menge“ und der dazwischen liegenden „Normalmenge“.

Daraus ergaben sich im Laufe der Zeit folgende drei Kategorien: 

1. der Neugier-, bzw. Gelegenheitstäter, der wohl eher im Besitz einer „geringe „Menge“ zum Zweck des Eigenverbrauchs i.S.d. §29 Abs. 5 BtMG,

2. der Konsument, bei dem sich eine „Normalmenge“ findet und auf den wohl eigens §29 Abs. 1 BtMG zugeschnitten ist

und 3. der Dealer, den wegen einer eben „nicht geringen Menge“ nach §29a ff.,ein wesentlich schärferes Strafmaß als die anderen Beiden treffen soll.

Das maßgebliche Kriterium: Der Wirkstoffanteil

Zur genauen Bestimmung des Begriffs der „nicht geringen Menge“ hat der BGH den Wirkstoffanteil als das maßgebliche Kriterium festgelegt. Dabei wird der Grenzwert immer in Bezug auf die spezifische Wirkungsweise und auf die Intensität des jeweiligen Betäubungsmittels bestimmt – so zumindest für alle Betäubungsmittel, die vom BtMG erfasst sind. Darauf basierend hat die Rechtsprechung bestimmte Grenzwerte entwickelt, die sich – beispielhaft aufgeführt, weiter unten in der Tabelle finden.

Der Grenzwert für die „nicht geringe Menge“ wird zunächst anhand der als gefährlich und sogar tödlich eingestuften Dosis des Wirkstoffs bestimmt. Sollten über diesen Wert keine genauen Kenntnisse vorliegen, so wird dieser zum Beispiel durch einen Vergleich mit ähnlichen Wirkstoffen festgelegt. Bei „neuen Drogen“ ist ein solcher Vergleich jedoch sehr schwierig zu ziehen. Es ist daher Vorsicht bei der Bestimmung des Grenzwertes geboten und oft bedarf es sachverständiger Hilfe.

Die Relevanz im Prozess

Der Bestimmung des Wirkstoffgehalts kann im Prozess folglich eine hohe Relevanz zugesprochen werden. Nur anhand dieser kann festgestellt werden, ob von einer „nicht geringen Menge“ ausgegangen werden muss. Nur so kann geguckt werden, in welche der drei entwickelten Kategorien (s. oben: der Neugier-, bzw. Gelegenheitstäter, der Konsument oder doch der Dealer) der Täter fällt und nach welchem Straftatbestand sein Handeln folglich zu bewerten ist.

Jedoch bringt diese Bestimmung in der Praxis oft Probleme mit sich. Es kommt immer auf den Wirkstoffgehalt zum Zeitpunkt der Tat an, wobei dieser stark vom Gehalt zum Untersuchungszeitpunkt abweichen kann. Zu diesem Zweck wird – außer in Fällen, in denen ohnehin nur Kleinstmengen vorliegen, oft ein Sachverständiger zur “Rückrechnung” herangezogen. Fehlt es jedoch ganz an der Sicherstellung der in Rede stehenden Betäubungsmittels, so wirft dies ein neues Problem auf, denn dann hat das Gericht zur Festellung des Wirkstoffgehalts wortwörtlich “nichts in der Hand”. Dieses Problem wird oft durch eine Schätzung über den Wirkstoffgehalt gelöst, wobei diese unter Berücksichtigung der sicher festgestellten Umstände des Einzelfalls, sowie vor allem des Grundsatzes „in dubio pro reo“ („im Zweifel für den Angeklagten“) steht.

Abschließend ist noch einmal auf den §29a BtMG zu gucken. Dieser sieht unter anderem für den unerlaubten Handel mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge ein Mindeststrafmaß von einer Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr vor. In minder schweren Fällen jedoch eine Mindeststrafe von drei Monaten bis maximal fünf Jahren. Ob ein minder schwerer Fall anzunehmen ist, bestimmt sich lediglich nach den Umständen des Einzelfalls, das heißt, ob das gesamte Tatbild und die Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt abweicht, so dass die Anwendbarkeit des „normalen“ Strafrahmens nicht mehr angemessen erscheint. Es ist folglich eine Abwägung vorzunehmen. Und hier kommt der Wirkstoffgehalt ins Spiel: Je größer die Überschreitung des Grenzwertes ist, desto mehr müssen die Gründe für eine Annahme eines minder schweren Falls gewichtig sein. Eine hohe Überschreitung des Grenzwertes kann folglich also strafschärfende Wirkung haben, wohingegen eine geringe Überschreitung des Grenzwertes eher für die Annahme eines minder schweren Falls spricht. Für den Täter also ein erheblicher Unterschied, weshalb hier wieder einmal die Bedeutung der Bestimmung des Wirkstoffgehalts zu betonen ist.

Betäubungsmittel„Nicht geringe Menge“ bei feststellbaren…Fundstelle
Kokain, Crack5 g CocainhydrochloridBGH NJW 1985 2773 
Speed10 g reines Amfetamin/Amfetaminbase; liegt Amfetamin-Sulfat vor, so ist in Amfetaminbase umzurechnenBGH NJW 1985, 2773
Methamphetamin („Crystal Meth“)5 g Metamphetaminbase oder 6,2 g Metamphetaminhydrochlorid (RS)Metamfetamin bzw. Metamfetaminracemat: 10 gBGH NJW 2009, 863 BGH NJW 2012, 400
Heroin1,5 g HeroinhydrochloridBGH StV 2003, 280
Morphin4,5 g MorphinhydrochloridBGH NStZ 1988, 462
Ecstasy/Crystal-Speed30 g Wirkstoff, berechnet als Base und 35 g Wirkstoff, berechnet als HydrochloridBGH NJW 1997, 810
MDPV (3,4-Methylendioxypyrovaleron)10 gOLG Nürnberg BeckRS 2016, 09469
LSD6 mg reines LSD oder mindestens 300 LSD-TripsBGH NJW 1988, 2960

(Beispielhafte) Feststellung der Wirkstoffmengen als „nicht geringe Menge“ durch die Rechtsprechung

Quelle: Krumm: Die “nicht geringe Menge” im BtMG: Bedeutung und Stoffübersicht, NJ 2024, 151

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Nikolai Odebralski
Strafverteidiger Nikolai Odebralski ist seit 2010 Rechtsanwalt in Essen

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