Es sollte nur ein entspanntes Beisammensitzen unter Arbeitskollegen werden. In solchen „gemütlichen“ Runden kann es dazu kommen, dass hin und wieder ein Joint geraucht wird. Problematisch wird es jedoch vor allem dann, wenn Minderjährige Teil der Runde sind. Ein Konsum des Cannabis durch Minderjährige – wie in dem hier entschiedenen Fall, darf nicht zugelassen werden.
Das Amtsgericht – Schöffengericht – Neustadt hat den Angeklagten in dem Fall wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an einer Person unter 18 Jahren gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG zu einer Geldstrafe verurteilt. Nun aber zunächst zum konkreten Sachverhalt.
„Nur ein gemütliches Beisammensitzen“
Nach dem erledigten Arbeitstag saß der Angeklagte im August 2018 am Rande des Dürkheimer Weinfestes mit weiteren Zeugen – unter anderem dem Minderjährigen L -nach Feierabend zusammen. L war zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt und befand sich in einem Ausbildungsverhältnis unter dem Angeklagten als sein Vorgesetzter, dem die Minderjährigkeit des L auch bekannt war.
Es wurde Wodka getrunken und der Angeklagte packte ein Tütchen mit Marihuana aus, um bei dieser Gelegenheit einen Joint mit einem Marihuana-Tabak-Gemisch zu drehen. Der Angeklagte und einer der volljährigen Zeugen zogen abwechseln daran und legten diesen wieder zurück in den Aschenbecher. L äußerte daraufhin, dass er auch schon Erfahrungen mit dem Konsum von Cannabis gemacht hatte. Ehe der Angeklagte eingriff, nahm sich der Minderjährige L den abgelegten Joint aus dem Aschenbecher und zog einmal daran.
Zunächst entschied das Amtsgericht Neustadt
Das Amtsgericht hat dem Angeklagten zum Vorwurf gemacht, den Zugriff des Minderjährigen auf den Joint nicht verhindert zu haben. Das festgestellte Verhalten wurde als (unerlaubtes) „Überlassen von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren zum unmittelbaren Verbrauch gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG“ gewertet und die Strafe dem gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG entnommen. Der Angeklagte wurde daraufhin zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 60,–EUR verurteilt.
Hier stellt sich bereits die Frage, wie das Amtsgericht auf die entschiedene Strafe kommen konnte. Selbst wenn diese dem gemilderten Strafrahmen entnommen wurde, so sieht §29a Abs. 2 BtMG immerhin einen Strafrahmen zwischen 3 Monaten und 5 Jahren Freiheitsstrafe vor. Auch vertypte Milderungsgründe im Sinne einer möglichen Strafrahmenverschiebung nach §49 StGB sind nicht gegeben.
Revision wurde eingelegt – OLG Zweibrücken hebt Urteil des AG auf
Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte der Angeklagte eine auf die Sachrüge gestützte (Sprung-)Revision ein. Auf die Revision des Angeklagten hin, hob das Oberlandesgericht Zweibrücken das Urteil des Amtsgerichts Neustadt vom 25.2.2020 auf und begründete dies wie folgt.
Das OLG Zweibrücken stellte fest, dass das Amtsgericht sich nicht ausreichend mit dem Vorstellungsbild des Angeklagten im Vorfeld des Zugriffs durch den Minderjährigen auseinandergesetzt habe. Nach Auffassung des Strafsenats setzt das Tatbestandsmerkmal des „Überlassens“ von Betäubungsmitteln nach §29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG voraus, dass der Täter zumindest konkludent sein Einverständnis mit dem Konsum des Minderjährigen zum Ausdruck bringt. Hierfür reicht es jedoch nicht aus, wenn derjenige, der die Verfügungsgewalt über den Stoff inne hat – hier der Angeklagte, den Zugriff durch den Minderjährigen hätte verhindern können. Erforderlich ist vielmehr, dass der Täter zumindest mit einem Zugriff durch den Minderjährigen rechnet und diesen billigt. Einer solchen Annahme könnte im vorliegenden Fall bereits entgegenstehen, dass der Angeklagte gar nicht erst damit zu rechnen brauchte, dass der Minderjährige L nach dem Joint greifen und daran ziehen würde. Dafür spreche, dass der Konsum des Joints sich zuvor ausschließlich auf den Angeklagten und den weiteren Zeugen begrenzte. Die weiteren anwesenden Zeugen nahmen jedoch auch nicht daran teil.
Diese Ausführungen waren dem amtsgerichtlichen Urteil nicht zu entnehmen, so dass die Revision begründet ist und das Amtsgericht noch einmal über die Sache verhandeln und neu entscheiden muss. Dabei wies der Strafsenat für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter auch zu beachten haben wird, dass der Angeklagte bereits im Hinblick auf die Ermöglichung des Mitkonsums durch den erwachsenen Arbeitskollegen auch wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch bzw. im Hinblick auf das von ihm mitgebrachte Päckchen Marihuana wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu verantworten haben wird.
Quellen: kostenlose-urteile.de, Jörn Patzak auf community.beck.de (Beschl. v. 6.10.2020 – 2 Ss 38/20, BeckRS 2020, 26388), openlegaldata.io